Die Sinne zu entwickeln, gilt im Ayurveda als natürlicher Weg zu Gesundheit und Lebensglück. Anders als im christlichen Europa üblich werden Leib und Sinne hochgeschätzt. Für einen ayurvedischen Lebens-Stil heißt das vor allem, sein ganzes Leben an der Verfeinerung der Sinne zu „arbeiten“. Die Sinne gelten im Ayurveda als der Königsweg zu einer ausgewogenen Balance von Körper und Geist. So werden die Grundelemente Äther, Luft, Feuer, Wasser und Erde sind jeweils dem Gehör, dem Tastsinn, dem Sehvermögen, dem Geschmacks- und Geruchssinn zugeordnet.
Ayurveda Praxis: Die fünf Sinne schulen
Die fünf Sinne sind die Tore zur Welt. Sie zu schulen zielt nicht nur und nicht in erster Linie darauf ab, Augen, Ohren, Nase, Zunge und Tastsinn (Hand, Haut) zum Funktionieren zu bringen. Ginge es nur darum, könnten Sie sich bequem zurücklehnen und darauf vertrauen, dass Ihr Körper sich allein zurechtfinden wird in der Welt.
Zu Recht, denn in der Tat: Augen, Nase, Ohren, Mund und Hand zu gebrauchen, muss man als Kind nicht mühsam lernen, wie lesen und schreiben. Unter normal gesunden Umständen lernen wir das als Kinder nebenbei. Die Sache hat nur einen kleinen Haken, der unter anderem in der östlichen Tradition des Ayurveda wohlbekannt ist:
Die Welt ist so, wie wir sie sinnlich erleben
„Natürlicherweise“, wie von allein und automatisch lernen die Sinne nur das, was ein Kind „zufällig“ vor Augen, Ohren und Nase hat. Doch ebendies hält es für „DIE Welt“. Im Ayurveda gibt es den geflügelten Ausspruch:
„Die Welt ist so, wie wir sie sehen – daher hängt unser Erleben der Welt davon ab, wie wir sie wahrnehmen“.
Im Ayurveda wird deshalb großen Wert darauf gelegt, alle seine Sinne zu schulen und zu verfeinern. Denn im Ayurveda ist Folgendes wohlbekannt: Alle Sinneswahrnehmungen hinterlassen Eindrücke in der Seele. Und daraus folgt: Nehmen Sie immer wieder dasselbe in derselben Weise wahr, egal, was es ist, wird Ihre Seele unbeweglich und starr.
Die Feinheit der Sinne in der Antarktis
Stellen Sie sich vor, Sie wären nicht in Mitteleuropa aufgewachsen, sondern in der Antarktis. Stellen Sie sich weiter vor, Sie hätten die Antarktis nie verlassen. Sie könnten dann nicht die Gerüche in einer deutschen Metro von der Metro in Moskau oder in Paris unterscheiden. Dafür hätten Ihre Augen zum Beispiel gelernt, 30 verschiedene Sorten von Schnee auf den ersten Blick unterscheiden zu können.
Sie hätten gelernt zu hören, welche der Sorten von Schnee gerade fällt. Auch am Geschmack und Geruch könnten Sie hellen, nassen, körnigen, tauenden, frierenden, harten, zarten, groben, kristallinen Schnee ohne nur eine Sekunde nachzudenken sicher unterscheiden. Ihre Welt würde aus den vielen kleinen und großen Formen, Beschwernissen, Freuden, Empfindungen, die mit Schnee verbunden sind, bestehen. Denn ebendies wäre für Sie überlebensnotwendig. Metros dagegen gäbe es in Ihrer Welt nicht.
Ayurveda lehrt, alle seine Sinne immer weiterzuentwickeln
Die starke Prägung der Welt eines Menschen durch das, was er mit seinen Sinnen wahrnimmt, wird selten thematisiert. So selbstverständlich ist sie uns. Die Sinne sind gefragt, wenn es um den Verkauf von Erotikartikeln geht oder aber in der Sonderschulpädagogik. Ansonsten sind die Sinne eben die „Dinger“, mit denen man „die Welt“ sieht, hört, schmeckt, riecht und spürt. Im Ayurveda dagegen wird gelehrt, alle seine Sinne immer weiterzuentwickeln und zu verfeinern. Je feiner die Sinne, desto größer und schöner wird die Welt, in der Sie leben! Je feiner Sie alle Ihre Sinne entwickeln, desto leichter fällt es Ihnen, das, was Sie sehen, hören, schmecken, spüren, riechen miteinander zu verbinden und zu Ihrer eigenen Welt zu bauen.
Quellen
- Text: Die Sinne verfeinern
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